Die Forschung zu Familienunternehmen hat sich in den letzten Jahren des Öfteren mit der Thematik von Innovationsaktivitäten bei Familienunternehmen befasst. Das Interessante bei diesem Thema sind wohl die teilweise sehr konträren Forschungsergebnisse der letzten Jahre. Doch beginnen wir erst einmal damit, warum das Thema Innovation überhaupt relevant für Unternehmer ist. Innovationen sind, und das gilt für jedes Unternehmen, wichtige zentrale Treiber, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und darüberhinaus langfristige Wettbewerbsvorteile zu generieren (Greve, 2009; Galunic & Rodan, 1998). Der Begriff Innovation ist jedoch sehr vielschichtig und daher auch schwierig zu messen. Sind es Patentanmeldungen, neue Produkte und Dienstleistungen oder investierte Summen in Forschung & Entwicklung (F&E), die ein Unternehmen als innovativ klassifizieren? Der Begriff Innovation ist von Natur aus sehr vage und seine Deutung liegt oft im Auge des Betrachters. Einschlägige Forschung zu diesem Thema orientiert sich meistens, aber nicht ausschließlich, an den Ausgaben für F&E, so auch bei Llach und Kollegen (2012). Diese konnten belegen, dass die Innovationsfähigkeit von Familienunternehmen während einer Rezession, gemessen an den F&E Ausgaben, deutlich unter der von Nicht-Familien Unternehmen liegen. Das bestätigt zunächst das generelle Bild von Familienunternehmern, eher verhalten zu investieren – also risikoavers zu agieren. Doch was macht Familienunternehmen im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen so anders? Astrachan et al., 2010 schreibt, dass es der Einfluss der Familie auf das Unternehmen ist, was den Unterschied ausmacht. Diese sogenannte `Family Influence` kann, laut Craig et al. (2014), auch zu einer verbesserten Innovationsfähigkeit führen. So konnten Craig und Kollegen in ihrer Arbeit belegen, dass sich der Einfluss der Familie auf die Familienunternehmenskultur positiv auswirkt. Diese wiederum wird definiert als die unter Mitarbeitern geteilten gemeinsamen Werte und Normen, die als Richtlinie für den täglichen operativen Arbeitsalltag gelten (Schein, 1985). Nun erhöht der Einfluss der Familie also die Unternehmenskultur in Form von gemeinsamen Werten und Normen, was mit Innovation auf den ersten Blick noch nichts zu tun hat. Craig und Kollegen erschlossen eine Wirkungskette, die als nächsten Schritt einen positiven Einfluss eben dieser Kultur auf das flexible Planungssystem der Unternehmung belegte. Abschließend konnten sie darüber hinaus nachweisen, dass dies wiederum positive Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit des Familienunternehmens hatte. Zusammengefasst kann man also einen positiven Effekt des Familieneinflusses auf die Innovationsfähigkeit unterstellen. An dieser Stelle muss man jedoch genau hinschauen. Craig et al. (2014) haben die Innovationsfähigkeit nicht anhand von F&E Ausgaben beschrieben, sondern lediglich durch Heranziehen einer Skala, welche die Gewichtung des Unternehmens hinsichtlich innovativer Prozesse bewerten ließ. Eine Vergleichbarkeit zu den im Vorfeld erwähnten Ergebnissen fällt somit schwer – wie bereits gesagt, Innovation liegt im Auge des Betrachters.
Für mich persönlich die wohl aufschlussreichste und spannendste Forschungsarbeit zu diesem Thema wurde 2012 von Chrisman und Patel veröffentlicht. Ihre Arbeit beschäftigte sich ebenfalls mit den Unterschieden von F&E Investments zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen, nur mit einem Unterschied: ihre Argumentationsgrundlage wurde maßgeblich beeinflusst durch Daniel Kahnemann, dem Begründer der Prospect Theory und vielen wahrscheinlich bekannt durch sein populäres Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“. Eine ihrer Hypothesen war, dass Familienunternehmen im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen generell weniger in F&E investieren. Dies konnten sie auch belegen, was sie darauf zurückführen, dass die Eigentümer und Manager der Unternehmung wahrgenommenen Bedrohungen ihres „sozio-emotionalen Wohlstandes“ aus dem Weg gehen wollen, es also die nicht-ökonomischen Ziele sind, die Familienunternehmen bei F&E Investitionen ausbremsen.
Abgeleitet von der Prospect Theory bedienen sich Chrisman und Patel auch des Phänomens der „Myopic loss aversion“, also der kurzsichtigen Verlustaversion. Sie unterstellen dabei, dass die Dauer einer Investitionsbewertung negativ mit langfristigen Investitionen, wie in F&E, zusammenhängt. Und dem ist so. Je längerfristig die Familienziele ausgelegt sind, desto länger werden die strategischen Zeitfenster einer Entscheidung und dementsprechend sinkt die Risikoaversion der Manager, in F&E zu investieren (Chrisman & Patel, 2012).
Trotz unterschiedlicher Forschungsstränge kann man jedoch einen Konsens manifestieren. Mit Berücksichtigung von Investitionsaffinitäten in F&E agieren Familienunternehmen im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen konservativ – und das wahrscheinlich, um die eigenen Familienziele nicht in Gefahr zu bringen und dauerhaft zu sichern.
Literatur:
Astrachan, J. H., Richards, C. W., Marchisio, G. A., & Manners, G. E. (2010). The OODA loop: A new strategic management approach for family business. In P. Mazzola & F. W. Kellermanns (Eds.), Handbook of Strategy Process Research. Cheltenham, UK: Edward Elgar Publishing.
Chrisman, J., Patel, P. (2012). Variations in R&D Investments of Family and Nonfamily firms: behavioral Agency and Myopic Loss Aversion Perspectives. Academy of Management Journal, 55(4), 976-997.
Craig, J., Dibrell, C., Garrett, R. (2014). Examining relationships among family influence, family culture, flexible planning systems, innovativeness and firm performance. Journal of Family Business Strategy (5), 229-238.
Greve, H.R. (2009). Bigger and safer: The diffusion of competitive advantage. Strategic Management Journal, 30(1), 1–23.
Galunic, D.C. & Rodan, S. (1998). Resource recombinations in the firm: Knowledge structures and the potential for Schumpeterian innovation. Strategic Management Journal, 19(12), 1193–1201.
Llach, J., Marquès, P., Bikfalvi, A., Simon, A. (2012). The innovativeness of family firms through the economic cycle. Journal of Family Business Management, 2(2), 96-109.
Schein, E. H. (1985). Organizational culture and leadership: A dynamic view. San Fran-cisco: Jossey-Bass.